Durch das enorme Engagement der Kirchengemeinde in Kaufungen und weiteren ehrenamtlichen Bürger*innen hat sich das Lossehaus in der LEADER-Förderperiode 2014 -2020 nicht nur in eine neue Begegnungs- und Veranstaltungsstätte entwickelt, auch die Lebensqualität und die Attraktivität des ganzen Ortes wurde gesteigert und trägt zum Zusammenhalt der Gemeinde bei.
Die dunklen breiten Dachbalken knarzen und fangen das einfallende Sonnenlicht ein ehe es das Erdgeschoss durchfluten kann. Kalte Fließen ebenen den Weg hin zur verstaubten Theke, die erahnen lässt, was sich vor nicht mal alle zu langer Zeit noch in diesen vier Wände abgespielt haben muss: deftiges Weckewerk und Schlachtesuppe wurden verputzt, Feierabendrunden und Stammtische saßen zusammen und diskutierten, und bei der Goldenen Hochzeit wurde zu den Klassikern der letzten 50 Jahre getanzt. Bis 2014 war die Gaststätte Allmeroth Treffpunkt und Veranstaltungsort in Niederkaufungen, doch nach 74 Jahren und vier Generationen war dann Schluss, die Gastwirtschaft wurde geschlossen.
So oder so ähnlich beginnen viele Geschichten über ehemalige Betriebsstätten, Gasthäuser oder anders gewerblich genutzte Flächen in ländlichen Regionen, die aufgrund des demografischen und strukturellen Wandels in ihrem Ort nicht überleben konnten. Häufig geht mit dem Verlust dieser Versammlungsorte immer auch ein gesellschaftlicher Verlust für die Menschen im Ort verloren. Doch soweit wollte es die evangelische Kirchengemeinde in Kaufungen nicht kommen lassen – sie erwarb 2014 aus eigenen Mitteln das alte Fachwerkhaus und verwandelte es mit unermüdlich ehrenamtlichem Engagement, Spenden und finanzieller Unterstützung aus verschiedenen Förderprogrammen, in eine konfessionsübergreifende vielseitig nutzbare und dem gesamten Ort zugutekommende Begegnungsstätte.
Als Regionalmanager Oliver Sollbach zu Besuch im Lossehaus ist, lässt nur noch ein alter Spruch am neuen Eingang erahnen, dass hier mal mit viel Leidenschaft Bier ausgeschenkt wurde. Fünfeinhalb Jahre und drei LEADER-Anträge später, ist die Gaststätte, mit viel Gestaltungsfreiraum für alle Altersklassen, zu einem wichtigen Mittelpunkt der etwa 6.000 Bewohner*innen in Niederkaufungen geworden.
2015 wurde dem ersten Antrag auf LEADER-Förderung im Regionalforum Casseler Bergland zugestimmt, und die evangelische Gemeinde hatte da bereits genaue Vorstellungen, wie die neuen Räumlichkeiten genutzt werden können. Was nicht unbedingt vom Handwerksbetrieb durchgeführt werden musste, wurde in Zusammenarbeit der Kirchengemeinde und den Bürger*innen in Niederkaufungen übernommen. Von der schweißtreibenden Arbeit erzählen heute noch die Bilder an den Wänden des Hauptsaales im Erdgeschoss. Im ersten Bauabschnitt wurde das Erdgeschoss komplett saniert und modern ausgestattet. Hellgraue Holzbalken erhellen den gesamten Raum und in offener und lebendiger Atmosphäre finden seitdem Veranstaltungen wie Lesungen, Vereinstreffen oder das monatlich stattfindende Lossehauscafé statt. In der neuen Küche kann für ca. 150 Menschen ein gemeinsames Mittagessen gekocht werden.
Zwei Jahre später, nachdem die ersten Erfolge bereits gefeiert werden konnten und das Erdgeschoss gut in der Gemeinde angenommen wurde, folgte der Antrag zur Weiterentwicklung des Hauses. Als zweiter Bauabschnitt wurde das Obergeschoss ausgebaut. Von einem offenen Foyer aus geht es in vier unterschiedlich nutzbare Gruppen- und Konferenzräume, die kirchlichen Veranstaltungen mehr Raum geben sollen. Gleichzeitig sind vielfältige Veranstaltungsmöglichkeiten möglich, die partei-, konfessions- und interessenübergreifend für alle Kaufunger besucht und durchgeführt werden können. „Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir das Lossehaus für unseren Ort ausbauen konnten. Ein Neubau wäre wesentlich teurer gewesen und schwerer umzusetzen.“, äußert sich Pfarrer Gottfried Bormuth dankbar.
Wir sind wieder im heute – Bormuth führt durch das neue Obergeschoss und ist sichtlich stolz, wie gut das Konzept bisher funktioniert. Regelmäßige Mutter-Kind Treffen finden statt, Trauercafés können angeboten werden, aber auch Räume für die Jugendlichen im Ort gibt es und Geburtstagsfeiern sind möglich. Die Räume sind so verschieden nutzbar wie die Bewohner der Gemeinde. Und auch hier wurde wieder mit viel ehrenamtlicher Kraftanstrengung gearbeitet. Auf Abrissarbeiten folgten neu eingezogene Wände, Decken wurden abgehängt und neue Sanitäranlagen eingerichtet. Durch Corona sind die Veranstaltungen natürlich weniger geworden, doch das Engagement der Bürger*innen in Niederkaufungen ist weiter ungebremst.
Ein weiterer, letzter Bauabschnitt fehlt noch. Dann ist das Lossehaus nicht nur energetisch und technisch auf den neusten Stand gebracht, sondern dann sollen auch die letzten Sanitäranlagen erneuert, der Anbau rechts vom Haus saniert sowie die letzten Arbeiten an dem Haus abgeschlossen sein. Die Sanitätanlagen könne so vom Lossegarten aus für Dorffeste genutzt werden. Nachdem der Förderantrag für eine weitere LEADER-Förderung vorerst abgelehnt wurde, hofft Pfarrer Bormuth auf einen positiven Bescheid bis 2022. „Die Nachfrage ist immer höher als die verfügbaren Mittel. Das Vorhaben steht wie einige weitere Projekte auf der “Warteliste“. Sollten weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, können wir nach der Priorisierung aus der letzten Regionalforums-Abstimmung weiteren Projektträgern eine Förderung zukommen lassen“, erläutert Sollbach.
