Es war einer dieser Abende, der lange nachhallt.
Man hatte von Theresienstadt gehört, hatte die Bilder im Kopf – das, was man aus Geschichtsbüchern kennt. Doch am vergangenen Samstagabend im Kulturladen Wolfhagen wurde das Lager auf erschütternde Weise lebendig. Nicht durch grelle Bilder, sondern durch Worte, Töne, Stimme.
Sechs Menschen standen auf der Bühne. Mehr brauchte es nicht, um eine vergangene Welt zum Leben zu erwecken. Schauspieler Roman Knižka verlieh den Stimmen der Inhaftierten ihre Würde zurück – mit großartiger Präsenz, eindringlich, klar und zugleich tief berührend. Seine Lesung war kein Vortrag, sondern ein Erleben. Jedes Wort traf ins Mark, jede Emotion war spürbar. Zwischen den Texten erklangen die feinen Töne des Bläserquintetts OPUS 45 mit Werken jener Komponisten, die selbst in Theresienstadt inhaftiert waren: Pavel Haas, Hans Krása, Viktor Ullmann und Gideon Klein. Ihre Musik, entstanden im Angesicht des Todes, war nicht nur Kunst, sondern vor allem Widerstand, Trost und Überlebensstrategie. Wenn die Instrumente zusammen erklangen oder auch nur das Rattern eines Zuges nachahmten, der ins Ungewisse fährt, entstanden Bilder im Kopf, die mehr sagten als jedes historische Dokument.
Die Texte – Gedichte, Erinnerungen, Tagebuchauszüge – führten hinein in den Alltag des Lagers: in kleine Momente von Hoffnung, in die kindliche Sicht auf das Unbegreifliche, in das verzweifelte Festhalten an der Kunst als Überlebenstechnik. Zwischen Hochkultur und Kinder-Tagebuch, zwischen Angst und Sehnsucht spannte sich ein Bogen, der das Publikum tief bewegte. Man hörte, wie aus Worten und Klängen eine Symbiose entstand, die unmittelbar miterleben und im Kopf eindrückliche Bilder entstehen ließ. Mal poetisch, mal schlicht, mal kaum auszuhalten. Worte, die noch lange nach dem Verklingen der letzten Töne im Raum hingen.
„Ich wand’re durch Theresienstadt“ – dieser Titel wurde an diesem Abend zu einer Erfahrung. Man musste nicht nach Terezín in Tschechien reisen, um zu begreifen, was dort geschah. Die Lesung brachte das Unsagbare in unsere Gegenwart, ließ das Vergangene sprechen und machte deutlich, wie lebendig Erinnerung sein kann, wenn sie durch Kunst getragen wird.
Die musikalische Lesung ist Teil eines bundesweiten Projekts, das bereits Station in Berlin, Dresden, Hamburg und München und weiteren Städten hatte. Die Veranstaltung in Wolfhagen wurde von unserem Verein Region Kassel-Land e.V., dem Bundesprogramm “Demokratie leben” und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung unterstützt.

Fotos: Yvonne Sophie Thöne
