Dörfliche „Lebens.Mittel.Punkte“, beispielhaft durchdacht an sieben Modellstandorten, sind umsetzbar und können bei ausreichender Nachfrage wirtschaftlich tragfähig betrieben werden. Dies hat die im Februar 2022 fertiggestellte Machbarkeitsstudie im Förderaufruf „LandVersorgt“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ergeben. Die Städte Wolfhagen, Volkmarsen, Zierenberg, Gudensberg, Niedenstein und Fritzlar sowie die Gemeinde Bad Emstal hatten Region Kassel-Land e.V. von April 2021 bis Februar 2022 mit der Erstellung des Nahversorgungskonzeptes beauftragt.
Welche Idee wurde verfolgt?
Basierend auf den traditionellen Gefrierhaus-Gemeinschaften in nordhessischen Dörfern, sieht das Konzept der „Lebens.Mittel.Punkte“ zentrale dörfliche Abholstationen für Güter des täglichen Bedarfs vor, die an einen Online-Shop angegliedert sind. Durch eine Mischung aus regionalen Erzeugnissen und Produkten des lokalen Einzelhandels können regionale Versorgungsstrukturen gestärkt werden. Gleichzeitig wird die Nahversorgung für Verbraucher*innen in ländlichen Gebieten erleichtert.
Durch den Einsatz von gekühlten Pfandboxen soll der Verbrauch von Verpackungsmaterialien so gering wie möglich gehalten werden. Diese können in einem zugangsgesicherten Schließfachsystem abgeholt werden. „Der zentrale Abholort kann dabei zusätzlichen Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten und Austausch im Dorf bieten – er wird zum Lebens.Mittel.Punkt“, unterstreicht Projektleiterin Ribana Bergmann die soziale Bedeutung eines solchen Angebotes.
Ziel der Konzeptphase war es, gemeinsam mit der Bevölkerung mögliche Standorte sowie Bedarfe bei der Ausstattung und Nutzung des neuen Einkaufs- und Begegnungsortes zu bestimmen. Dazu wurde je Gemeinde ein Dorftyp mit besonderer Ausprägung ausgewählt – allen gemeinsam war die fehlende Vollversorgung im Ort. So wurden die sieben Dörfer Kirchberg (Niedenstein), Lütersheim (Volkmarsen), Niederelsungen (Wolfhagen), Obervorschütz (Gudensberg), Oelshausen (Zierenberg), Riede (Bad Emstal) und Ungedanken (Fritzlar) für den Beteiligungsprozess festgelegt. „Die Umfrage und die Bürgerworkshops in den Modelldörfern haben uns sehr geholfen, die Wünsche und Bedarfe für einen solchen Lebens.Mittel.Punkt zu erfassen. Jetzt haben wir eine konkrete Vorstellung davon, was benötigt wird und konnten daraufhin ermitteln, was die Umsetzung kosten würde“ beschreibt Ribana Bergmann den Arbeitsprozess.
Die Ergebnisse zeigen vor allem eins: Ohne Auto geht nichts. Daher ist der Wunsch nach weniger Zeitaufwand für den Einkauf sowie eine generelle Offenheit für die Nutzung eines Online-Shops mit Lieferung an eine zentrale Abholstation im Ort keine Überraschung. Ebenso wird in den Ergebnissen der Bürger*innen-Befragung deutlich, dass das Interesse an mehr Begegnungsstätten in den Dörfern groß ist.
Umsetzungspartner wurden ermittelt
Im Rahmen der Konzeptphase konnten bereits mögliche Umsetzungspartner aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette gefunden werden. Diese reichen vom lokalen Supermarkt und einem Dorfladen über regionale Direktvermarkter, einen lokalen Lieferservice bis zum Anbieter einer geeigneten Online-Plattform und einem Unternehmen für Schließfach-Lösungen.
Ein Beratungsunternehmens kalkulierte schließlich anhand dieser Daten die Mindestvoraussetzungen für eine wirtschaftliche Tragfähigkeit. Dazu zählen die Aufteilung der Kosten unter den beteiligten Akteuren und der Einsatz eines kundenfreundlichen Abo-Modells. Dabei sind mittelfristig 10 % Nutzer*innen je Dorf für den Betrieb erforderlich. Da jedoch konkrete Erfahrungswerte fehlen, wird eine 2-jährige Pilotphase zum Aufbauen und Erproben der Infrastruktur im regelmäßigen Dialog mit Bürger*innen und Wirtschaftspartnern empfohlen. Diese soll auch dazu genutzt werden, einen eigenverantwortlichen Betreiber für den anschließenden Regelbetrieb festzulegen.
Wie geht es weiter?
Alle eingegangenen Konzepte werden aktuell vom BMEL geprüft. Die Bekanntgabe einer möglichen Umsetzungsförderung für die bundesweit 15 Modellprojekte des Förderaufrufs ist für Mai diesen Jahres geplant. Sollte das Vorhaben dabei keine Berücksichtigung finden, muss dies noch nicht das Ende für die Lebens.Mittel.Punkte bedeuten – „Die Regionalmanager*innen der beteiligten LEADER-Regionen sehen in dem Projekt nachhaltiges Potenzial. Eine Umsetzung mit Fördermitteln aus der ländlichen Regionalentwicklung ist durchaus denkbar“, erklärt Carsten Petry, Regionalmanager bei Region Kassel-Land e.V.
Nach einer erfolgreichen Erprobung an den sieben Modellstandorten ist die Ausweitung des Systems auf weitere Dörfer möglich.