„Das Interesse an einem Wandel in der dörflichen Nahversorgung ist klar vorhanden“, summiert Caspar Schumacher die Ergebnisse der Umfrage zum Projekt Lebens.Mittel.Punkte, die Region Kassel-Land e.V. im Auftrag der sieben am Projekt beteiligten Kommunen durchgeführt hat. Im Juli hatte die Arbeitsgruppe, welche im Rahmen einer Förderung durch das Bundeslandwirtschaftsministerium innovative Ansätze der Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs im ländlichen Raum evaluiert, eine umfassende Umfrage zum Einkaufsverhalten per Postwurf gestartet. In Volkmarsen, Gudensberg, Zierenberg, Wolfhagen, Niedenstein, Bad Emstal und Fritzlar wurden dafür jeweils unterschiedliche Dorftypen ausgewählt. „Die Bürger*innen dieser sieben Modelldörfer haben mit einer überdurchschnittlich hohen Beteiligung von 23,3% (545 Haushalte) an der Umfrage teilgenommen“ freut sich Projektleiterin Ribana Bergmann. Die EinwohnerInnen von Lütersheim, Oelshausen, Obervorschütz, Kirchberg, Riede, Niederelsungen und Ungedanken waren anonym dazu aufgerufen, ihr aktuelles Einkaufsverhalten und ihre Wünsche für ein zukünftiges Einkaufen auf dem Dorf sowie fehlende Angebote im Ort darzulegen. So sollte ermittelt werden, ob die Nachfrage nach Online-Angeboten und Lieferdiensten, die einen zentralen Punkt im Dorf mit Lebensmitteln beliefern könnten, besteht.
Workshops mit Lösungsvorschlägen ab November
In Verbindung mit dieser Idee soll im Rahmen einer Machbarkeitsstudie auch der Bedarf für einen Begegnungsort im Dorf geprüft werden. Dafür findet im nächsten Schritt ab November je Modelldorf ein Workshop statt, in dem die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage präsentiert werden und mit Interessierten ortsspezifische Lösungsansätze, Erwartungen an Dienstleistungen und Begegnungsräume sowie Schritte zur Realisierung diskutiert werden. Das Team aus Projektleiterin Ribana Bergmann und den Studierenden Caspar Schumacher, Helena Müller-Peters und Elias Kernetzky, die jeweils einen Teilbereich der Studie eingehend in ihrer Bachelorarbeit betrachten, wird dabei vom Moderator David Zabel unterstützt.
Bisheriges Einkaufsverhalten
Die Befragten gaben mit einer großen Mehrheit (94,8 %) an, Einkäufe 1-3x wöchentlich mit dem Auto zu tätigen. Da über 60 % ihren Einkauf mit weiteren Terminen verknüpfen, ist eine Mehrheit (über 70 %) der Meinung, der Einkauf nehme nicht zu viel Zeit im Alltag ein. Gleichermaßen wird der Einkauf von vielen Menschen (33 %) lediglich als „notwendiges Übel“ eingeordnet, gefolgt vom Wunsch nach großer Auswahl und budgetorientiertem Einkaufen, aber auch dem Fokus auf bio- und regionale Produkte (je ca. 15 %). Neben dem Haupteinkaufsort Supermarkt (87 %) – gefolgt vom Discounter (37 %) – ist auch der Bäcker (50%) und der Metzger (30 %) ein häufig aufgesuchter Einkaufsort. In vier von sieben Dörfern kaufen immerhin 10-20% der Befragten bereits jetzt häufig Güter des täglichen Bedarfes im Internet ein. Hofläden werden in sechs Dörfern von über 40 % der befragten Bürger*innen gelegentlich aufgesucht, wobei insbesondere Eierhäuschen/-automaten mehrfach als Abholorte hervorgehoben wurden. Diese sind in allen Ortsteilen das am meisten lokal gekaufte Produkt. Circa 60 % kaufen ihre Eier vor Ort, gefolgt von Backwaren, Wurst, Fleisch und Honig (jeweils über 40 %).
Wünsche an die zukünftige Nahversorgung
Eine Erleichterung bei der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs wurde durch eine starke Mehrheit (65 %) in der Bereitstellung bzw. Bündelung von regionalen Waren vor Ort gesehen. Dicht darauf folgt der Wunsch einer kürzeren Distanz zum Einkaufsort (43 %). An dritter Stelle von neun Optionen wird die Möglichkeit Lebensmittel und Alltagsprodukte online zu bestellen genannt (32 %). Die Ortsteile unterscheiden sich hier deutlicher: In Oelshausen, Lütersheim und Riede besteht ein stärkerer Wunsch, die Lieferung zu einer zentralen Abholstation im Ort zu erhalten, wohingegen in Ungedanken jeder dritte Befragte eine Lieferung bis zur Haustür wünscht. In Kirchberg wird die zentrale Abholstation als Option eher vernachlässigt, dort und in Oelshausen ist ein Drittel an einem Modell des flexiblen Einkaufens „wann ich Zeit habe“, mit vorrätigem Sortiment, besonders interessiert.
In Obervorschütz wird das Einkaufen im Internet stärker favorisiert, während in Niederelsungen eine Einkaufsmöglichkeit vor Ort besonders gewünscht wird. Insgesamt wird der „Dorfladen“ unter der frei ausfüllbaren Option „Ideen zur Verbesserung der Nahversorgungssituation“ 68 Mal und somit von jedem achten Befragten erwähnt. Die Einrichtung einer Begegnungsstätte sowie die Bündelung regionaler Waren einschließlich Lieferoption erhalten insgesamt je 20 Stimmen. Kaum ins Gewicht fällt im Rahmen der Erhebung die Nachbarschaftshilfe beim Tragen der Einkäufe sowie das Interesse an einer Gemeinschaftsküche. Telefonische Bestellmöglichkeiten werden neben der Online-Bestelloption insbesondere von Personen ab 60 gewünscht.
Konkrete Anforderungen an den potentiellen Lebens.Mittel.Punkt sehen die Befragten vor allem in den Punkten Frischegarantie, einfacher Bestellvorgang, verpackungsarme Anlieferung und in der Verfügbarkeit eines Basis-Sortiments ohne Vorbestellung.
Ein Drittel der Befragten findet Online-Bestellmöglichkeiten von Lebensmitteln eher wichtig, ein anders Drittel eher unwichtig. Hier ist insbesondere der Anteil der unter-50-Jährigen stärker interessiert. Einen Aufpreis für das Liefern von Lebensmitteln würden die Befragten in einer Spanne von 1-10 Euro bezahlen – im Schnitt liegt der akzeptierte Aufpreis bei 4,60 Euro pro Lieferung.
Zur Frage was im Ort fehle, gaben 44 % eine bessere Mobilitätsinfrastruktur (Fahrradwege, E-Ladesäulen, ÖPNV-Taktung, Mitfahrbänke) an und 36 % wünschen sich einen sozialen Begegnungsort, wobei 38 % angaben, mit der aktuellen Situation im Ort zufrieden zu sein.
Die Umfrageergebnisse stehen Ihnen nachfolgend als Gesamtauswertung sowie ortsspezifisch zum Download zur Verfügung: